Bei unserem Sohn (15) wurde vor einigen Tagen durch einen
Kinder-Neurologen das Tourette-Syndrom diagnostiziert. Ich durchstöbere
jetzt natürlich das Internet nach 'Tourette'. Bei Ihrer sehr lehrreichen
Home-Page habe ich darüber leider auch nichts gefunden. Ich frage Sie
nun freundlich an, ob Sie mir Angaben zu Literatur machen können, die
diese Krankheit behandelt.
Antwort
Ich freue mich, wenn Besucher meiner Seite die unvermeindlichen Lücken aufdecken. es ist richtig,
daß der Bereich der extrapyramidalen Erkrankungen bislang etwas unvollständig ist.
Neben den einigermaßen bekannten und relativ häufigen Erkrankungen Parkinson-Syndrom und Chorea
zählt hierzu auch die Gruppe der Dystonien, zu der Erkrankungen wie
der Schiefhals (Torticollis), der Schreibkrampf, der Blinzel"tic" (Blepharospamus)
und eben auch andere "Tic"-Erkrankungen wie das Gilles de la Tourette-Syndrom zählen.
Die Dystonien, insbesondere die "Tic"-Erkrankungen nehmen, wie schon der Name nahelegt, seit
langem eine Zwischenposition zwischen Neurologie
und Psychiatrie ein. Während man sie lange Zeit als rein psychisch verursacht
ansah, ist heute davon auszugehen, daß bestimmte komplexe Funktionsstörungen
im Bereich des Gehirns zur Ausprägung der Symptome führen. Zusätzlich kommt es
zu einer Verstärkung der jeweiligen Symptomatik in psychischen Belastungssituationen.
Das Gilles de la Tourette-Syndrom äußert sich im wesentlichen in verschieden ausgeprägten Lautäußerungen,
die z.T. nur aus einzelnen Tönen wie Räuspern, Rülpsen oder Stöhnen, z.T. aber auch
aus ganzen, unwillkürlich ausgestoßenen Sätzen, oft an Fluchen erinnernd, bestehen.
Es besteht die Möglichkeit, daß sich das Gilles de la Tourette-Syndrom des Kindesalters in der Pubertät
oder in den folgenden Jahren spontan zurückbildet.
Bis dahin ergeben sich Behandlungsmöglichkeiten mit verschiedenen Medikamenten, die
in die Übertragungsvorgänge der Nervenzellen eingreifen. Hierzu zählen verschieden
Psychopharmaka, aber auch Beruhigungsmittel und einzelne - sog. zentral wirksame -
Blutdruckmedikamente. Psychtherapie kann zu mehr Ausgeglichenheit führen und die
Symptomausprägung mindern, als alleinige Therapie ist sie meist nicht ausreichend.
In einzelnen Fällen, die auf medikamentöse Behandlung nur gering ansprechen, ist es möglich,
einen Hemmstoff der Nerv-Muskel-Übertragung,
das sog. "Wurstgift" Botulinum-Toxin als Injektion einzusetzen.
zum Seitenanfang
Unser Sohn ist 7 Tage alt und leidet an einer Spina Bifida aperta lumbosakral. Sie wurde
bereits operativ versorgt. Das Ganze geht aufgrund der Größe des Defektes mit einer Mikrozephalie
einher. In der Fachliteratur wird darüber nur in Zusammenhang mit Alkoholmißbrauch, nie bei Spina
Bifida gesprochen. Haben Sie Informationen über Mikrozephalie bei Spina Bifida?
Antwort
Als Fehlbildungen des Nervernsystems sind Spina bifida und Microcephalie eng miteinander
verwandt. Im Laufe der Embryonalzeit müssen die einzelnen Zellen des Nervengewebes
Wanderungswege zurücklegen, um an ihren eigentlichen Bestimmungsort zu gelangen.
Im wesentlichen gibt es zwei Mechanismen der Schädigung:
- Die auf der Zelloberfläche aller unserer Zellen vorhandenen "Markierungszeichen"
sind - auf einzelnen Zellen - defekt - meist genetisch bedingt -
und als Folge wandern die Zellen an den falschen Ort, d.h. z.B. bleibt der Verschluß
des Rückenmarkes zu einem Rohr unvollständig. Ähnliches passiert mit dem Gehirn.
- Während der Wanderung - was das Rückenmark angeht oft in einem Stadium der Schwangerschaft, wo
diese noch gar nicht bekannt ist - wirken Schädigungen ein, hier ist zwar in erster
Linie der ALkohol zu nennnen, es gibt jedoch zahlreiche bekannte und unbekannte
andere Schädigungsmöglichkeiten (Strahlen, Infektionen der Mutter - die ja zu
diesem Zeitpunkt von ihrer Schwangerschaft oft noch gar nichts weiß, Medikamente ...)
Es ist mir nicht bekannt und aus der mir vorliegenden Literatur geht es auch nicht hervor,
ob es einen direkten funktionellen Zusammenhang zwischen einer
Spina bifida und einer Mikrocephalie gibt, häufiger tritt eher ein sog.
Hydrocephalus "Wasserkopf" auf, weil der Abfluß des Nervenwassers gestört ist.
zum Seitenanfang
... an Syringomyelie erkrankt. Habe starke Schmerzen in beiden
Armen und Beinen, Blasen- und Sensibilitätsstörungen usw. Bisherige
Untersuchungen ... konnten keine Hilfe bringen. Haben Sie
Adressen zur weiteren Behandlung?. Wäre dankbar wenn Sie mir antworten würden.
Antwort
bei der Therapie der Syringomyelie sind prinzipiell 2 Formen zu unterscheiden:
- causale (=ursachenbezogene) Therapie
Bei der causalen Therapie der Syringomyelie wird versucht, die eigentliche Störung
zu beheben. Je nach Befund - läßt sich
mittels Kernspintomographie darstellen - kann versucht werden, durch die Ableitung von
Nervenwasser durch einen dünnen Schlauch nach außen die Höhlenbildung zu reduzieren.
Diese Operation wird von Neurochirurgen durchgeführt. Bitte haben Sie Verständnis,
daß ich keinen speziellen Arzt oder eine spezielle Klinik empfehlen darf; ich
rate zu folgendem Vorgehen: Wenn es in Ihrer näheren Umgebung eine neurochirurgische
Klinik gibt, stellen Sie sich ambulant dort mit allen bisher angefertigten bildern
vor und besprechen Sie die OP-Möglichkeit. Evt. kann (zusätzlich) die Vorstellung in
einer benachbarten Uniklinik sinnvoll sein. Es gibt jedoch Formen der Syringomyelie,
für die eine OP einfach aus technischen Gründen nicht in Betracht kommt.
- symptomatische Therapie
Wenn aus unterschiedlichen Gründen eine causale Therapie nicht möglich ist, sollte
versucht werden, die einzelnen Symptome zu behandeln. Dies kann zunächst
durchaus in der Hand eines/einer niedergelassenen Neurologen/in stattfinden, u.U. ist
es sinnvoll, sich an eine neurologische und/oder neurochirurgische Klinik zu wenden,
in einzelnen Fragen (Blase) kann die Hinzuziehung eines Urologen notwendig werden.
Da es sich bei der Syringomyelie letztlich um eine unvolständige
Querschnittssymptomatik handelt, kann in Einzelfällen auch
ein sog. Querschnittszentrum (meist BG-Unfallkliniken, Hausarzt fragen) weiterhelfen.
Auch hier kann und darf ich nicht einzelne Kliniken empfehlen.
zum Seitenanfang
... ich suche den Begriff meralgia paraesthetica.
Antwort
Bei der Meralgia paraesthetica handelt es sich um die - oft chronische - leichte
bis mäßige
Reizung eines Hautnerven. Meist ist der Nervus cutaneus femoris lateralis betroffen.
Er zieht unterhalb des Leistenbandes zum Oberschenkel. Seine Aufgabe besteht
darin, eine etwa handgroße Fläche an der Vorder- und Außenseite des Oberschenkels
mit Gefühl zu versorgen. Seine Reizung bewirkt 2 unterschiedliche Symptome:
- Der Nerv erfüllt seine Aufgabe nicht, d.h. wenn man das entsprechende
Hautareal bestreicht, nimmt man das Streichel-Gefühl dort nicht wahr.
- Der Nerv wird gereizt und gibt Fehlmeldungen ab: Man hat das Gefühl, daß
gerade dieses "gefühllose" Areal schmerzt oder kribbelt, obwohl das Hautareal selbst
unbeteiligt ist (ähnlich wie ein Phantomschmerz, der ja auch scheinbar von einem
amputierten Bein zu kommen scheint, oder, als anderer Vergleich, so wie der Eindruck
eines kaputten Telefons auch durch ein kaputtes Kabel hervorgerufen werden kann).
Therapie: Wenn im Bereich der Leiste eine echte Engstelle vorliegt, können evt. operative
Maßnahmen ("Platz schaffen") weiterhelfen. Andernfalls ist gegen die Gefühllosigkeit nichts
auszurichten, gegen Mißempfindungen / Schmerzen helfen Injektionen (sog. Blockaden), die den
Nerv lahmlegen (er erfüllt seine eigentliche Aufgabe ja ohnehin nicht mehr korrekt.
zum Seitenanfang
Können Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen Kliniken empfehlen die eine Bypass
Operation an der Halsschlagader bzw. Ausschälung durchführen.
Antwort
bitte haben Sie Verständnis, daß ich keine einzelnen Kliniken empfehlen kann oder darf.
Die genannten Operationen werden heutzutage von sehr vielen Kliniken durchgeführt.
VOR einem derartigen Eingriff sind allerdings wesentliche Dinge zu bedenken, denn es
handelt sich um eine sog. PROPHYLAKTISCHE Maßnahme, d.h.: die OP selbst heilt nicht,
sie verringert nur die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Schlaganfalles.
Nun ist der Schlaganfall auch die häufigste Komplikation dieser OP.
Außerdem führt nicht jede kleinere Verengung der Gehirngefäße unweigerlich zum
Auftreten eines Schlaganfalles.
Das hat zwei Konsequenzen:
- Die Indikation zur OP muß sorgfältig abgewogen werden.
Es gibt heute umfangreiche Untersuchungen, bei welcher Art von Verengung sich
überhaupt eine Operation
lohnt (diese Untersuchungen sollten allen Neurologen und Ärzten verwandter Fachrichtungen
bekannt sein). Art und Ausmaß der Engstelle des Blutgefäßes sollten mit Hilfe von
Ultraschall, meist auch Angiographie und / oder Kernspintomographie bestimmt werden.
Außerdem sollte eine evt. aufgetretene Symptomatik durch eine fachärztliche neurologische
Untersuchung - ambulant oder im Krankenhaus - genauestens erfaßt werden.
- Falls die Indikation zur Operation gestellt worden ist, erfolgt die Auswahl der
chirurgischen Abteilung.
Wenn ich Ihnen auch keine speziellen Kliniken nennen kann, so gibt es immerhin Kriterien,
an denen
Sie Sich, evt. mit Unterstützung des behandelnden Neurologen, orientieren können.
- der für die Operation zuständige Chirurg muß in SPEZIELL DIESER Operation erfahren sein;
in seiner PERSÖNLICHEN Statistik sollte die Komplikationsrate UNTER 3% liegen.
- vor und nach der Operation sollte eine NEUROLOGISCHE Mitbetreuung der Patienten erfolgen.
- die Operation sollte in dieser Klinik oft genug durchgeführt werden, hierfür gibt es keine
festen Zahlen, aber 3 OPs pro Jahr sind sicher zu wenig.
Eventuell ist es notwendig, vor der Operation mehrere Kliniken zu befragen. Nicht die
größte ist hier die beste; empfehlenswert ist eine chirurgische
Abteilung, in der sich einer der Ärzte auf derartige Operationen spezialisiert hat.
zum Seitenanfang
zur Themenübersicht